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Mythos: "Menschen mit ADHS sind unaufmerksam"

  • Katja
  • 25. Juni
  • 3 Min. Lesezeit

Nein, sind sie nicht. - Im Gegenteil.

Oft kommt es ihrer Umgebung aber so vor. Wenn sie beispielsweise am Ende eines Online-Session noch einmal nachfragen, wie lange die Pause ist, auch wenn dies gerade eben gesagt wurde. Wenn Menschen mit ADHS einfach nicht zuhören, wenn sie es sollten. ... So wie es eben andere tun. (Na, schon getriggert?).


Oder: wenn sie einen Geburtstag vergessen, weil sie ihn sich nicht aufgeschrieben haben. Oder einen Arzttermin. ... Oder sie einfach nicht zugehört haben, als man ihnen sein Herz ausgeschüttet hat.



Über die Komplexität des Denkens mit ADHS

Ich verrate Dir ein Geheimnis: Menschen mit ADHS denken sehr komplex. Ich möchte behaupten: deutlich komplexer als neuronormative Menschen, also als Menschen ohne ADHS.


Mit mehr Schleifen, Out-of-the-Box, mit vielen möglichen Optionen, prospektiv, dabei immer beachtend und abgleichend, ob der Lösungsansatz neuronormativen Standards entspricht und dieser in neuronormativer Runde ausgesprochen werden kann oder weiter prozessiert werden muss.


Over-Delivering inklusive.

(Grüße gehen 'raus an Dich, liebe Kris ❤️)


Die Folge? Bei Menschen mit ADHS ist der Arbeitsspeicher sehr viel schneller ausgeschöpft als bei den meisten anderen Menschen und arbeitet auf Hochtouren.


Das Gehirn eines Menschen mit ADHS verhält sich wie eine Künstliche Intelligenz:


Sobald der Input gestartet ist, laufen effektiv Prozessierung und Lösungsfindung, Ideenfindung, das innere Mindmap der potenziellen Möglichkeiten. Und zwar alles parallel, nicht linear. Das frisst Kapazität und Energie.


Es wird gegeneinander abgewogen, die Fragestellung gedreht und gewendet. Jeder weitere Input wird parallel dazu auf Relevanz geprüft und entweder gleich verworfen oder in den Prozess der Lösungsfindung integriert.


Du ahnst es: Die Pausenansage, der wichtige Arzttermin oder dieses kleine aber wichtige Detail im Gespräch unter Freunden sind damit offensichtlich durch den Filter gefallen: nicht relevant genug!


P.S.: Wie sich daran arbeiten lässt, wie man als Mensch mit ADHS aus "irrelevant" -> "relevant" machen kann, erfährst du auf meinem Blog in einem anderen Beitrag.


Wann sind Menschen mit ADHS aufmerksam?

Menschen mit ADHS können es sich leider nicht aussuchen, wann sie aufmerksam sind und wann nicht. Das heisst: sie sind nicht unbedingt dann aufmerksam, wenn sie es sein sollten oder man es von ihnen erwartet. Auch dann nicht, wenn sie gerne aufmerksam wären.


Sondern: Sie sind dann aufmerksam, wenn etwas von Außen ihre Aufmerksamkeit erregt.


Dieser Fakt hört sich zunächst einmal eher unbequem an, denn mit dieser Tatsache wird klar, dass Menschen mit ADHS erstmal keinen Einfluss darauf nehmen können, ob sie aufmerksam sind oder nicht. Wenn sie sich dazu zwingen - weil die Gesellschaft oder ihre direkte Umgebung das so von ihnen fordert - verlangt ihnen das eine Menge zusätzlicher Energie ab und sie maskieren ihr Wesen um sich an ihre Umwelt mit ihren neuronormativen Standards anzupassen (Masking).


Die gute Nachricht

Menschen mit ADHS können aufmerksam sein, sehr sogar.


Sie bemerken Details, die anderen entgehen. Sie merken sich die abstrusesten und manchmal irrelevantesten Einzelheiten (Cave: für Andere irrelevant). Und das oft über Jahre. Und sie können sehr auferksame Zuhörer sein.


ABER: Menschen mit ADHS benötigen bestimmte Bedingungen, um sich gut konzentrieren zu können. Mindestens einer der drei Aspekte muss gegeben sein:


  • Interesse (Relevanz)

  • Brisanz (Notwendigkeit, Alarm, Gefahrensituation)

  • Sinn (Logik)


Um es klar zu machen: Alle drei Aspekte werden dabei vom Menschen mit ADHS subjektiv empfunden. Interesse und Relevanz dann, wenn der Mensch mit ADHS ein eigenes Interesse an dem Thema hat und dieses als relevant (für sich) empfindet. Wenn die Thematik mit einem Handlungsbedarf verknüpft ist, z.B. weil eine Timeline eingehalten werden muss oder eine Gefahrensituation besteht, wie bei einem Verkehrsunfall beispielsweise der Fall. Und auch beim Aspekt "Sinn" ist hier der Sinn gemeint, den der Mensch mit ADHS in einer Thematik oder Tätigkeit sieht.


Ohne das wird es schwierig.



Was Du als Außenstehender tun kannst?

Wenn Du einen Menschen mit ADHS in deiner unmittelbaren Umgebung kennst, privat, in der Schule oder geschäftlich, habe ich ein paar Tipps für Dich:


  • Bewerte es NICHT, wenn eine Frage zum wiederholten Male gestellt wird, vielleicht weil die betroffene Person "nicht richtig zugehört hat". Ihre kognitive Kapazität war vermutlich bereits voll ausgeschöpft. Die erneute Nachfrage zeigt ein Bedürfnis und wird nicht getätigt, um um andere willentlich zu ärgern.


  • Nehme es NIEMALS PERSÖNLICH. Denn es hat nichts mit dir zu tun. Nie.


  • Weise nicht auf die Unaufmerksamkeit hin. Dein Gegenüber mit ADHS weiss, dass er manchmal nicht die notwendige Aufmerksamkeit aufbringen kann und ihm ist es selbst sehr unangenehm - da bin ich mir sicher -, aber er kann es nicht wirklich ändern.


    FAZIT: Komme der Frage oder Bitte einfach nach. Habe Verständnis für den Anderen. Je mehr Du Dich mit der Thematik beschäftigst, desto mehr Verständnis wirst du aufbringen können.



#4 (06/25/2025)

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